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Jámas! Griechische Spirituosen im Überblick

Wer an Griechenland und Spirituosen denkt, bleibt meist beim Ouzo hängen. Sicherlich ist der Anisschnaps ein untrennbarer Bestandteil hellenischer Trinkkultur, doch Griechenland wäre nicht das Land des Dionysos, gäbe es da nicht noch das eine oder andere Tröpfchen mehr zu entdecken – auch ohne Anis. Versprochen.

Die Griechen sind ja für vieles bekannt. Sie gelten als Erfinder der Demokratie, genossen lange den Ruf als große Seefahrer – auch wenn sich der bekannteste von ihnen, Odysseus, dermaßen verirrte, dass er zehn Jahre lang nicht mehr nach Hause fand. Und viele ihrer kulturellen Errungenschaften beeinflussen uns bis heute. Die 18 Welterbestätten, die malerischen Strände auf gut 6000 Inseln und nicht zuletzt die ebenso bodenständige wie verführerische Küche locken jährlich Millionen von Urlaubern ins Land.

Doch auf dem Gebiet der Spirituose finden sich in der Wahrnehmung der Genießer nur wenige hellenische Heldentaten. Oft ist nach dem berüchtigten Ouzo »aufs Haus« zur besseren Bewältigung üppiger Fleischplatten auch schon Schluss. Das ist zwar verständlich, denn man hat mit übervollem Magen nach dem Genuss eines nicht immer hochwertigen Anisschnapses kaum Lust, tiefer in die Materie griechischer Liquids einzudringen. Aber ein Versäumnis bleibt es allemal, denn auch Griechenland hat eine spannende Trink- und Getränkekultur zu bieten.

Der Griechische Aperitif

Aber bleiben wir erst einmal beim Ouzo. Diese hierzulande oftmals nur als betäubender Digestif-Shot servierte Spirituose ist in dieser Darreichungsform eben genauso typisch griechisch wie der Sirtaki, dessen Erfindung nachweislich auf die schlechten Tanzkünste von US-Schauspieler Anthony Quinn zurückzuführen ist, der im 1964er-­Filmepos »Alexis Sorbas« selbst die einfachsten Schrittfolgen nicht hinbekam. Aber wie der Sirtaki, der heute doch irgendwie Teil der griechischen Folklore geworden ist, ist der Ouzo durchaus ein fester Bestandteil der hellenischen Trinkkultur – nur eben etwas anders als bei uns angenommen. In Griechenland ist er die mit Abstand beliebteste heimische Spirituose, fungiert aber weniger als Digestif, sondern übernimmt vielmehr die Rolle eines erfrischenden Vorspeisenbegleiters.

Serviert wird Ouzo hierfür klassisch auf Eis und im Verhältnis von etwa eins zu drei mit Wasser verdünnt. Sein populärstes Trinkritual ähnelt damit sehr dem des französischen Pastis. In Nordgriechenland jedoch, wo es im Winter sehr kalt werden kann, genießt man den Ouzo aber auch gern einmal als kleinen Schuss im starken Kaffee. Wie bei seinen französischen Verwandten lässt sich bei Ouzo übrigens beim Verdünnen mit Wasser der sogenannte »Louche-Effekt« beobachten, der durch die Reduzierung des Alkoholgehalts ausgelöst wird. Die im Alkohol gelösten ätherischen Öle scheiden sich als kleinste Kügelchen ab und es bildet sich eine Emulsion, die das Gemisch trüb werden lässt. Je stärker die Trübung ausfällt, desto höher ist der Anisgehalt und die Qualität des Ouzo. Mittlerweile finden sich in Griechenland über 300 Destillerien, und dementsprechend groß ist die Vielfalt innerhalb der Kategorie, die vor allem von der Variation der verwendeten Zutaten und dem Anteil des mit den Kräutern destillierten Alkohols lebt – bei Top-Produkten sind das in der Regel 100 Prozent.

Neben dem dominierenden (Stern-)Anis kommen zudem Fenchelsamen, Bockshornklee, Kardamom, Angelika- oder Engelwurz, Muskatnuss, Koriander, Zimt und das Baumharz Mastix zum Einsatz, gebrannt wird in der Regel zwei-, manchmal auch dreifach.

Das Gold in der Flasche

Neben Ouzo als Kategorie ist es aber vor allem ein Name, der hierzulande mit griechischen Spirituosen in Verbindung gebracht wird: Metaxa. Lange Zeit mit Cognac oder Brandy verglichen, hat der griechische Klassiker mittlerweile bewiesen, was er wirklich ist: eine Kategorie für sich. Daher bezeichnet sich Metaxa auch als »Original Greek Spirit« – und das nicht ganz zu Unrecht, denn sowohl bei Herstellung als auch Aromatik ist er ­außergewöhnlich. Im Gegensatz zu klassischen Weinbränden handelt es sich bei Metaxa nicht nur um ein in Eichenfässern gereiftes Weindestillat, sondern um eine Komposition aus Muskatellerwein, gereiften Weindestillaten und mediterranen Kräutern und Blüten, die in einem Elixier eingefangen und der Assemblage hinzugefügt werden.

Das Metaxa-typische Geschmacksprofil ruht damit auf drei Säulen, die sich zudem wunderbar entschlüsseln lassen: einerseits die gereiften Weindestillate, die im Keller in Kifissia in Limousin-Eichenfässern mindestens für ein, manchmal aber auch bis zu 40 Jahre reifen und vor allem Aromen von Vanille, Citrus, Pfeffer, Zimt, Muskatnuss und Eichenholz beisteuern. Andererseits sind es die aromatischen Muskateller-­Weine, die auf der Insel Samos in einem recht eigenwilligen Terroir kultiviert werden. Auf terrassierten Feldern, sogenannten Pezoules, auf kalkhaltigen Böden und in Höhenlagen von 250 bis 500 Metern über dem Meer angebaut, sind die Reben hier viel Wind, voller Sonne, dafür aber wenig Niederschlag ausgesetzt.

Muskateller-Weine von der Insel Samos bilden eine der drei Säulen von Metaxa. In Stahltanks gereift, steuern sie schlussendlich die charakteristischen Noten von Trockenfrucht und Nüssen bei.
Foto beigestellt
Muskateller-Weine von der Insel Samos bilden eine der drei Säulen von Metaxa. In Stahltanks gereift, steuern sie schlussendlich die charakteristischen Noten von Trockenfrucht und Nüssen bei.

Diese Bedingungen bringen süße und hocharomatische Trauben hervor, aus denen die Vins de liqueur entstehen – fruchtbetonte Grundweine, bei denen die Fermentation frühzeitig durch die Zugabe von Weindestillat gestoppt wird. Bei einer anschließenden Reifung in Stahltanks entwickeln sie die für Metaxa typischen Aromen von reifer Trockenfrucht und Nüssen.

Die dritte Säule aller Metaxa-Qualitäten bildet ein spezielles Mazerat aus Rosenblättern, Thymian, Rosmarin, Lorbeer und weiteren mediterranen Kräutern, das für die floralen Noten verantwortlich ist. Bleibt noch die Frage nach der Bedeutung der Sterne auf den Flaschen der Standardqualitäten, die jeweils fünf, sieben oder zwölf davon zieren. Anders als man vielleicht vermuten mag, sind sie nicht nur ein Hinweis darauf, wie alt das Destillat ist. Sie beschreiben vor allem den Grad der aromatischen Komplexität. Und diese ist bei den darüber angesiedelten Qualitäten wie Grande Fine, Orama oder Aen natürlich noch merklich höher.

Renaissance des Tresters

Das Geheimnis von Metaxa liegt also maßgeblich in den Grundweinen – und auf die können sich die Griechen verlassen. Griechenland ist ein Weinland – auch wenn die Wahrnehmung international manchmal nicht über Retsina hinausgeht. Aber wo Wein kultiviert wird, ist der Tresterbrand nicht weit – und so ist es auch wenig verwunderlich, dass die Griechen hier ihre eigene Tradition pflegen, die wohl bis ins 14. Jahrhundert zurückgeht, als hauptsächlich Mönche dem Destillationshandwerk nachgingen. Wie in Italien auch, wo der Grappa lange qualitativ ein eher trostloses Dasein fristete, nimmt die Qualität dieser Destillate, in Griechenland Tsipouro genannt, aber ebenfalls seit einigen Jahrzehnten merklich zu. Das liegt sicherlich auch daran, dass seit 1988 das Brennrecht europäischen Normen angepasst wurde. Bis dahin lag dieses ausschließlich bei Winzern, die Tsipouro – auf Kreta auch Tsikoudia oder Rakí genannt – meist nur für den Eigenbedarf produzierten oder bestenfalls lokal verkauften.

Heute sind diese wilden Zeiten vorbei und griechische Tresterbrände werden meist in großen Anlagen und auf dem Stand der Technik hergestellt. Seit der letzten Neubearbeitung der europäischen Spirituosenverordnung sind Tsipouro und Tsikoudia zudem als Kategorien anerkannt, verfügen über eine geschützte Bezeichnung und geografische Angaben, wie Tsipouro aus Thessalien, Mazedonien und Tyrnavos oder Tsikoudia aus Kreta.

Entscheidend für die Aromatik ist zudem die Auswahl der Rebsorten, für die oftmals auf Roditis, Athiri, Assyrtiko, Muskat oder Malvasia zurückgegriffen wird. Im Zuge der Qualitätsoffensive findet man aber auch immer öfter sortenreine Tsipouros – ebenfalls eine Analogie zum Grappa. Eine Besonderheit und ein wesentlicher Unterschied zu italienischen Grappas ist jedoch, dass in manchen Regionen dem Brand nach der ersten Destillation auch Samen oder Pflanzen wie beispielsweise Anis, Fenchel, Safran oder Mastix-Harz zugesetzt werden dürfen. Das verleiht ihnen einen zusätzlichen aromatischen Kick und führt – bei Zugabe von Wasser – zu dem vom Ouzo bekannten Louche-Effekt. Wie Ouzo wird auch Tsipouro meist zum Essen und zu Vorspeisen gereicht.

Ouzo und Tsipouro eint aber noch ein weiteres Detail: Mastix. Dieses schon in der Antike beliebte Harz von Pistazienbäumen wird auf der Insel Chios gewonnen – und zwar nur dort. Sein Aroma erinnert an Tannennadeln, und zerkaut man es, hinterlässt es ein angenehm frisch-mediterranes Gefühl im Mund.

Ein altes Heilmittel

Zudem gilt es seit Jahrhunderten als Heilmittel gegen Husten und Magenbeschwerden – was mittlerweile sogar durch moderne Studien belegt ist. Das wiederum macht es zu einem überaus begehrten Rohstoff, denn Hersteller von Nahrungsergänzungsmitteln, Kosmetika, Medikamenten, Süßwaren und Getränken konkurrieren um ein knappes Angebot. Nichtsdestotrotz verteidigt eine lokale Spezialität ihr Stück vom Kuchen: der Mastiha-Likör.

Seine typisch erfrischend harzigen Aromen, die durch Einlegen des Harzes in Alkohol und anschließende Destillation gewonnen werden, haben ihm in den letzten Jahren die Türen in die Haute Cuisine und die Mixologie geöffnet und ihm so einen sanften Hype beschert. Vor allem Bartender wissen ihn zu schätzen, da sich beispielsweise Gin gut durch Mastiha ersetzen lässt, etwa in Martinis, Sours oder in der Kombination mit Tonic. Zusammen mit seinen Mitstreitern aus der Weinbrand- und Tresterkategorie beweist Mastiha damit aber vor allem eines: Der Horizont der griechischen Spirituosenwelt endet nicht mit dem »Ouzo aufs Haus«.


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Erschienen in
Falstaff Nr. 03/2024

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Alexander Thürer
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